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Anton A. Bucher

Religionsunterricht: Besser als sein Ruf?

Empirische Einblicke in ein umstrittenes Fach. Tyrolia Verlag, Innsbruck-Wien 1996., 180 Seiten. ISBN: 3-7022-2028-3, >>> Amazon
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In der nun auch vor dem Verfassungsgericht ausgetragenen Debatte um das Brandenburgische Schulfach LER gerät ein ganzer Berufsstand zuversehends zwischen die Mühlsteine. Seltsamerweise sind ReligionslehrerInnen scheinbar die letzten, deren Meinung um eine künftige Ausgestaltung des Religionsunterrichts (=RU) oder seine Einbindung in LER gefragt wäre. Dabei sind sie die ersten, die demnächst mit betriebsbedingten Kündigungen zu rechnen haben, wenn der Arbeitgeber Kirche dem RU und den Leistungen seiner LehrerInnen weiterhin die nötige Referenz verweigert. Um dieses Trauerspiel vom Kopf auf die Füße zu stellen, mag eine empirische Studie zu Rate gezogen werden, die Anton A. Bucher, Professor für Religionspädagik in Salzburg, verfaßt hat. Diese Studie fragte u.a. danach, welche allgemeinen Faktoren dazu führen, ob der RU beliebt ist oder nicht, ob er als effizient oder überflüssig wahrgenommen wird. Auch wenn hierzu die Daten in Österreich bei katholischen SchülerInnen gesammelt wurden, sind die "verallgemeinbaren Erkenntnisse" durchaus auch für Deutschland und den evangelischen RU übertragbar.
Vorweg, was vielleicht überraschen mag: Der RU hat sich bei seinen TeilnehmerInnen von einem in der Vor- und Nachkriegszeit unbeliebten, zu einem Fach des gehobenen Mittelfeldes gemausert. Die entsprechenden Daten sind für Fachleute in Tabellen mit ausführlichen Variablenbeschreibungen nachzuvollziehen, für interessierte Laien in eingängigen Zusammenfassungen und Zwischenerläuterungen nachzulesen.
Bucher zitiert dabei natürlich auch umfänglich die Ein- und Ansichten anderer KollegInnen. So ergibt sich aus dem Voranschreiten der Pluralisierung der Gesellschaft mittelfristig die Forderung nach einem "ökumenischen Zusammengehen" und langfristig nach einem "stärker interreligiös angelegten und durchgeführten RU".
Was den angeblich wertfreien Unterricht von LER angeht, könnte hier seinen Verfechtern folgendes ins Stammbuch geschrieben werden: Neben der "konfessionellen" Zuordnung steht die "konfessorische" der LehrerInnen im Sinne von Bekenntnis und Überzeugtsein außer Frage. "'Ungebunden' kann religiöse Erziehung niemals sein, das wäre ein Widerspruch zum Begriff und Wesen von Religion(= 'Rückbindung' des Menschen an das Göttliche oder Numinose)."
Und der Kirchenleitung das Nachfolgende: "Viel stärker als bisher müßten die Verantwortlichen in der Kirche die Erfahrungen von ReligionslehrerInnen ernstnehmen. Nicht nur aus dem pragmatischen Grund, daß die Unterrichtenden für viele Heranwachsende die einzigen Repräsentanten der Kirche sind. Darüber hinaus nehmen sie in der alltäglichen, zumeist offenen Begegnung mit Kindern und Jugendlichen Zeichen der Zeit früher wahr als Kirchendiener in den bischöflichen Palais."
Es erweist sich allerdings, daß vom RU allenthalben erwartet wird, die in der Familie vielfach ausgefallene religiöse Primäsozialisation nachzuholen, "was in der Regel eine unrealistische Überforderung darstellt." Andererseits gilt: "Demokratie und Gerechtigkeit müssen von Heranwachsenden erfahren werden können; dazu trägt - in der Sicht vieler SchülerInnen - auch der RU bei."
Im Anhang wird die Studie Buchers von zahlreichen Honorablen nicht nur aus der katholischen Kirche gewürdigt und kommentiert. So meint  Dr. Georg Eder, Erzbischof von Salzburg, bezogen auf die Wertschätzung des RU: "Manchmal habe ich den Eindruck, daß Insider der Kirche die Institution und Leistungen der Kirche negrativer beurteilen als sogenannte 'Fernstehende'."
Noch weiter geht der Univ. Prof. DDr. Fritz Oser aus Fribourg: "Es muß also überlegt werden, wie Religion als solche wirksam ist und wird. Und da haben Lehrpersonen ein viel größeres professionelles Wissen als Theologen und amtskirchliche Vertreter. Von ihnen wäre zu lernen. (..) Ist es nicht so, daß heute die Pädagogik und Lehrerbildung von der Religionspädagogik lernen müßte?"
Aus der Seele der meisten ReligionslehrerInnen dürfte nicht zuletzt Prof. Dr. Matthias Scharer aus Linz sprechen: "Die Kirchenleitungen haben es bitter notwendig, den ReligionslehrerInnen ihr ganzes Vertrauen und deren fachlicher, personaler und kommunikativer Aus- und Weiterbildung die besondere Sympathie zu schenken; schließlich verdanken sie ihnen noch immer die Beziehung zum Großteil der Kinder und Jugendlichen in Österreich." 
Vor einer entsprechenden Studie, die sich auf in Deutschland erhobene Daten bezöge, müßte m.E. jedenfalls keiner Angst haben - am wenigsten die ReligionslehrerInnen.

Buechernachlese © Ulrich Karger


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