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Jurek Becker

Briefe

Ausgewählt und herausgegeben von Christine Becker und Joanna Obrusnik. Suhrkamp Verlag, Frankfurt a. M. 2004. 448 Seiten. 24,80 Euro. ISBN: 3-518-41643-X, >>> Amazon
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Nach der Postkartensammlung seines Busenfreundes Manfred Krug liegt nun auch eine umfängliche Auswahl von Briefen Jurek Beckers vor, die seine zweite Frau und eine Germanistin besorgt haben. Letztere promovierte mit einer Arbeit über ihn in Wrocław. In der Hauptsache richten sich diese Briefe an Gegenüber im literarischen Milieu, die entweder direkt mit der Entstehung seiner Bücher befasst waren oder ihn zu seinen schier unzähligen, weltweiten Gastreisen und Lehraufträgen einluden oder ihm als Kollegen, Kritiker und Leser Anlass zur Erwiderung auf deren Resonanz boten. Seine bis zu seinem Tod eigentümlich ungeteilte Ost-West-Biographie verlangte ihm zudem Einlassungen und Antworten auf Maßnahmen von DDR-Behörden ab, aber auch Stellungnahmen zu rechtsblinden BRD-Richtern. Und dass er trotz seines andauernden Erfolges mit den Drehbüchern zu "Liebling Kreuzberg" nicht aufgehört hat, vor allem Romanautor zu sein. Private Mitteilungen finden sich nur wenige, so auch kein Brief an Manfred Krug. Aber die wenigen haben es in sich, insbesondere der lange Brief an seinen damals 19-jährigen Sohn Leonard, der kommentarlos an gleichaltrige und altersgemäß ziellose Kinder weitergereicht werden und mit nicht geringer Chance womöglich einen neuen Dialog mit deren Eltern oder Lehrern eröffnen kann.
In vieler Hinsicht also ein echter Lesegewinn, nur noch zu vervollkommnen durch ein, besser zwei Lesebändchen, die das notwendige Hin und Her zwischen Brief und jeweiliger Erläuterung in dem sehr instruktiven Anhang erleichtern würden.
Schon der erste Brief vom 5. November 1969 an seine lebenslange Lektorin Elisabeth Borchers schlägt einen Ton an, der für einen 32-jährigen, trotz oder wegen seines gerade veröffentlichten "Jakob, der Lügner", erstaunlich souveräne Selbstironie beweist, ohne dabei sehr charmant auf klare Grenzziehungen zu verzichten. Ein Ton, den er nach seinem Protest gegen die Ausbürgerung Wolf Biermanns auch 1977 noch gegenüber einem Kulturminister wie Klaus Höpcke beibehält und am Ende erreicht, dass er bis zum Mauerfall mit einem gültigen DDR-Pass in West-Berlin leben kann. Ein Ton, der auf hellsichtig ausgelotete Adressaten trifft, um sie entweder florettzielgenau mundtot zu machen oder um ihnen Respekt wie umwerfende Dankbarkeit zu bekunden. Ein Ton, der in seiner formvollendeten Erdnähe seit seinem Tod 1997 schmerzlich fehlt, werden doch die verbliebenen medienrelevanten Großschriftsteller deutscher Zunge heute meist nur noch mit allzu Plakativem oder gleich Unsäglichem laut.

Weitere Besprechungen zu Werken von Jurek Becker siehe:
Jurek Becker: Amanda Herzlos (1992)
Jurek Becker: Briefe (2004)

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