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Friedrich Gerstäcker Werkausgabe

Tahiti

bearbeitet von Thomas Ostwald
Hg. Wolfgang Bittner & Thomas Ostwald, Stuttgart, Union Verlag, 1988, 550 S., ISBN: 3-8139-5651-2, >>> Amazon
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Mitte des 19. Jhdts wurde Friedrich Gerstäcker (=F.G.) zu einem Vorläufer heutiger Abenteuerliteratur und so bekannt wie später Karl May, der allerdings seitenweise von F.G. abgeschrieben hatte. Jahrzehntelang nahezu vergessen sind nun die zwei ersten Bände einer authorisierten Werkausgabe im Union Verlag erschienen. Die Herausgeber Wolfgang Bittner und Thomas Ostwald haben diese Bände behutsam in eine Sprache übertragen, die uns heute ein müheloses Lesen erlaubt, andererseits der originalen Sprachregelung noch nah genug verhaftet ist, um nicht zuletzt auch in ihr den damaligen Sinn für's Exotische spürbar werden zu lassen. Im Gegensatz zu den vergleichsweise glatten Phantasien Karl Mays resultieren die Romane F.Gs aus dessen eigener Anschauung und Recherche vor Ort, was die Sprachstudien der von ihm besuchten Naturvölker (u.a. in Nordamerika und der Südsee) einschloß. Die Protagonisten seiner Romane sind also vom Leben abgeschaute Typen, die in einer fiktiven aber wahrscheinlichen Geschichte auftreten. In diesem Roman (wie auch in DIE REGULATOREN ...) sind es dann auch Mitglieder des Klerus, die mit ihrer Bigotterie Gift in die an sich harmonischen Gesellschaften verspritzen. Besonders hervorgehoben wird das Vergewaltigende missionierender Christen in TAHITI. Dabei stellt F.G. dem fanatischen einen toleranteren Missionar gegenüber und versagt sich so einen platten Schlagabtausch.
TAHITI ist die Liebesgeschichte eines geflüchteten Matrosen und einer christlich erzogenen Südseefrau. Das größte Problem für die beiden besteht anfangs irrwitzigerweise darin, daß sie einem streng protestantischen, er aber einem eher weniger intensiven katholischen Glauben anhängt ...
Das liest sich zuweilen wie eine Satire auf die gesellschaftlichen Verhältnisse und Problemstellungen des alten Europas. TAHITI geht jedoch über die klerikalen Streitereien hinaus und stellt die Grundsatzfrage, ob sich unterschiedliche Kulturen überhaupt mehr als nur annähern können. Bezeichnenderweise gelangen die Spannungen zwischen dem Liebespaar dann an einen Siedepunkt, als sie in ständigen Kontakt mit anderen Europäern 'geraten'.
F.G. hebt auch in TAHITI Widersprüche nicht einfach auf, sondern läßt sie unbeschönigt aufeinanderprallen. Wieder schaut der Leser direkt in Hütten und Heiligtümer und hat an Sitten und Gebräuchen der Südseeinsulaner regen Anteil.
Neben seinem literarischen Handwerk ist es aber vor allem die Einstellung zu seinen Sujets, die F.G. so herausragend und nach wie vor aktuell sein läßt. Der Union Verlag hat alles getan, um diesem Werk nun eine würdige Wiedergeburt zu ermöglichen. Solide Leinenbindung und lesefreundlicher Druck verstanden sich dabei fast von selbst, aber] den Illustrationen wurde ebenfalls ein beachtlicher Raum zugebilligt. Nach langen Verhandlungen wurde dafür ein Meister seines Faches, nämlich Uwe Häntsch aus der DDR verpflichtet, und so ist diese Werkausgabe die zweite (neben der Brechtausgabe), die in Coproduktion mit einem DDR-Verlag (NEUES LEBEN für die Ausstattung) entstanden ist.
Zum Schluß also das hymnische Finale: Eine spannende, authentische, im historischen und aufklärerischen Sinne bildende Lektüre, die in ihrer bibliophilen Ausstattung hoffentlich nicht mehr langer als Rarität gehandelt werden muß.

Die Friedrich Gerstäcker Werkausgabe:
Friedrich Gerstäcker: Die Regulatoren von Arkansas (1988)
Friedrich Gerstäcker: Tahiti (1988)
Friedrich Gerstäcker: Die Flußpiraten am Mississippi (1989)

Weitere Besprechungen zu Werken von Wolfgang Bittner siehe:
Wolfgang Bittner: Tommy und Beule (1997)
Vorlesetipps zu den drei Titeln:
Wolfgang Bittner: Grizzly Gruzzly Bären (1996)
Wolfgang Bittner: Felix, Kemal und der Nikolaus (1996)
Wolfgang Bittner: Der schwarze Scheitan (1998)

Buechernachlese © Ulrich Karger


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